Fretless Guitar
Der Begriff „bundlos“ hat sich bei Gitarren nicht so richtig durchgesetzt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Gitarren mit einem Griffbrett ohne Bünde in der westlichen Musik eher selten gespielt werden. Mit einigen Ausnahmen in der Pop- und Jazz-Musik, weswegen sich wohl der englische Begriff „fretless“ durchgesetzt hat.
Vor einiger Zeit bin ich bei Recherchen im Internet auf ein Video gestoßen, dass einen türkischen Gitarristen zeigt, der auf einer bundlosen, klassischen Gitarre spielt. Der Gitarrist heißt Cent Erdoğan und das Video könnt Ihr hier auf YouTube sehen. Kaum war ich auf dieses Video gestoßen, fand ich sofort eine ganze Anzahl anderer mit bundlosen Gitarren.
Ich war sofort fasziniert von den Modulationsmöglichkeiten solcher Gitarren. Ich musste mir auch eine beschaffen und ausprobieren, wie ich damit zurecht komme. Als Cellist und E-Bassist mit einem fretless Bass würde ich damit schon klarkommen, dachte ich.
Ein Neubau kam zum Ausprobieren natürlich nicht in Frage. Stattdessen sollte es eine umgebaute klassische Gitarre sein, die ich gebraucht kaufen konnte.
Wie umbauen?
Für den Umbau gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Man kann
- die Bünde aus dem vorhandenen Griffbrett entfernen und die Bundschlitze, in denen die Bünde verankert waren, mit Holzspachtel oder – natürlich viel schöner – mit Funierstreifen verschließen.
- auf das vorhandene Griffbrett eine Auflage aus Blech oder Glas – häufig auch Spiegel – auflegen.
- das vorhandene Griffbrett gegen ein neues aus Holz austauschen.
Ich wollte gerne ein Griffbrett ohne Markierungen auf der Spielfläche haben, wie es mein E-Bass und mein Cello auch haben. Ich dachte, wenn ich mich schon von den Bünden befreie, sollen auch sichtbare Bundmarkierungen meine neue Freiheit nicht einschränken. Deswegen kam die erste und wahrscheinlich einfachste Möglichkeit nicht in Betracht. Die zweite Möglichkeit fiel für mich aus Klanggründen weg. Ich vermute, dass ein Blech- oder Glasgriffbrett auf einer Konzert-Gitarre zu viele Obertöne produziert, der Klang zu scharf und kalt würde. Bei einer E-Gitarre für Rock- oder Jazzrock-Stücke kann ich mir so etwas schon viel besser vorstellen.
Also habe ich mich für ein neues Griffbrett aus Holz entschieden.
SetUp
Nach dem Umbau, den Ihr in der Bilderserie weiter unten verfolgen könnt, kam das Setup für die „neue“ Gitarre an die Reihe. Da ich mit bundlosen Gitarren bisher keine Erfahrung hatte, habe ich mir erst einmal überlegt, wie die Gitarre klingen soll und danach, wie ich das mit einem guten Setup erreichen könnte.
Ich wollte gerne, dass die Gitarre nicht den bei klassischen Gitarren gewünschten, klaren Klang bekommt, sondern je nach Anschlagstechnik einen mehr oder weniger sirrenden Beiklang haben sollte, entfernt wie eine Sitar. Natürlich sollte das Sirren nicht zum Scheppern werden, wenn ich einmal laut spiele.
Das Sirren wird erzeugt, wenn die Saite beim Schwingen ans Griffbrett stößt. Bei der Sitar ist der Steg dafür verantwortlich. Ich benötige also eine sehr niedrige Saitenlage, gerade so, dass nur der Saitenteil direkt am Griff-Finger ans Griffbrett stößt. Der Rest der Saite darf nicht anstoßen, sonst bekommt man ein unangenehmes Scheppern.
Meine Hoffnung, dass ein hartes Griffbrett – deswegen Ebenholz – mit den passenden Saiten zu diesem Klang führt, hat sich soweit bestätigt. Als Saiten habe ich welche mit hohem Saitenzug, also eher harte, gewählt (mit der Bezeichnung „HT“ für high tension).
Erste Erfahrungen
Nachdem die Gitarre jetzt fertig und spielbereit ist, geht’s ans Üben und Ausprobieren. Meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wie erwartet das größte Problem die saubere Intonation ist. Hier helfen ja keine Bünde mehr, die Finger müssen exakt die Stelle treffen, die die richtige Intonation hergibt. Da ist man als Cellist natürlich klar im Vorteil, hat man sein Gehör ja beim Cellospielen schon gut geschult. Akkorde lassen sich nur mit viel Übung spielen und man muss seine Grifftechnik und die Fingersätze dem neuen Instrument anpassen.
Sehr spannend ist es, mit den nun möglichen weichen Glissandi zu experimentieren. Auch die Möglichkeit, Intervalle microtonal zu verändern, tonale Spannungen zu vergrößern oder verkleinern, macht sehr viel Spaß.